Wir sind nun bei dem interessanten Kapitel über Prostitution angelangt.
Das Gewerbe der Prostituierten ist uralt, es gibt es seit es Städte gibt, also seit dem
Altertum. Von Prostituierten berichtet die Bibel, auch bei Christus taucht eine Prostituierte auf und Christus zeigt sogar Sympathie für sie. (siehe dazu auch mein Buch „Der Strich“).
1
Diese Welt der Prostitution, um diese mir u.a. in dieser Vorlesung geht, ist eine
eigene Welt mit ihren eigenen Gesetzen, in der es alles gibt: Freude, Erniedrigungen,
Scherz, Brutalität, Großzügigkeit, Gewalt, Bösartigkeit und sogar Güte. Ich habe auch
letzteres erlebt und als Forscher sympathische Damen am Strich kennen gelernt, denen ich stets mit Respekt begegnet bin. Man akzeptierte mich als einen etwas schrulligen Forscher, der nicht die Absicht hat, auch Kunde zu sein.
Mir erging es ähnlich wie dem Wiener Schriftsteller Friedrich Torberg, der in seiner
„Tante Jolesch“ (1975) auf Seite 148 schreibt, er habe in seinem Stammkaffeehaus,
dem Cafe de l ́Europe“ bei der Kärntnerstraße in Wien, wo in früheren Zeiten ein Zentrum des Nobelstrichs lag, viele Dirnen angetroffen, mit denen er sich gut unterhalten habe, ohne sonst etwas von ihnen zu wollen. Über diese Damen meint Torberg: „Wer da geringschätzig oder gar verächtlich von Huren spricht, lasse sich gesagt sein, dass ich in diesem Hurencafe zwischen Mitternacht und 4 Uhr früh auf mehr Beweise von Herzenstakt und menschlicher Sauberkeit gestoßen bin als in sämtlichen je von mir frequentierten Kaffeehäusern, und das will etwas heißen“.
Ich kann Torbergs Worten nachfühlen.
2.
Das 1991 novellierte Wiener Prostitutionsgesetz aus dem Jahr 1983 definiert
Prostitution als die gewerbsmäßige „Duldung sexueller Handlungen am eigenen
Körper oder die Vornahme sexueller Handlungen“. Man kann in Wien legal als
Prostituierte arbeiten, wenn man volljährig ist, sich bei der Landespolizeidirektion Wien meldet, nach einer ärztlichen Untersuchung im Gesundheitsamt einen Lichtbildausweis erhalten hat (die Kontrollkarte, „Deckel“, „die grüne Karte“) und sich regelmäßig beim Gesundheitsamt in der Schnirchgasse 14, 1030 Wien untersuchen lässt. Seit 1986 sind Prostituierte einkommensteuerpflichtig. (https://de.wikipedia.org/wiki/Prostitution_in_%C3%96sterreich) Mitte 2018 gab es in Wien 3300 weibliche und 70 männliche registrierte Prostituierte mit Kontrollkarte („Deckel“). [1800 davon unterziehen sich regelmäßig alle sechs
Wochen einer Gesundheitsuntersuchung bei der MA 15. Die anderen sind zwar
gemeldet, aber nicht (mehr) in Wien tätig. Schätzungen für die Zahl der
nichtregistrierten Prostituierten in Wien schwanken zwischen 500,3000, 3000 bis
4000 illegale Prostituierte] und insgesamt 5000 und 6000 Frauen, die in Wien legal
oder illegal zumindest fallweise als Prostituierte arbeiteten.Nach niedrigen Schätzungen bedient eine Prostituierte täglich durchschnittlich drei Freier, sodass sich daraus eine Zahl von geschätzten 15.000 Freierkontakten pro Tag in Wien ergibt. (a.a.O.)
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Es hat sich viel getan auf dem Gebiet der Prostitution in den letzten Jahrzehnten ́.
Auf Wunsch von Herrn Dr. Gerhard Brenner, Ministerialrat im Innenministerium und
maßgeblicher Redakteur der Zeitschrift „Die Kriminalisten“, habe ich mit drei
freundlichen Kriminalbeamten ein „Laufhaus“ am Rande von Wien aufgesucht und mit ebenso freundlichen Damen dort gesprochen – die meisten von ihnen kamen aus
Rumänien (sie freuten sich, dass ich sie auf Rumänisch ansprach, obwohl meine
Rumänischkenntnisse nicht gerade großartig sind). Das Laufhaus ersetzt den alten
Straßenstrich. Im Anschluss an diese Exkursion sprach ich mit Dr, Brenner und den
drei Kriminalbeamten über den Wandel am „Strich“. Darüber verfasste Dr. Brenner
einen spannenden Aufsatz in der Zeitschrift „Die Kriminalisten“. Dieser Aufsatz liegt
dem Hirtenbrief bei. Ich bitte höflich, diesen zu lesen. Es hat sich einiges verändert am Strich, doch nicht viel was die Beziehung zwischen Dirne und Zuhälter und was die Typologie der Kunden, die mitunter wilde Gelüste haben, anbelangt. In aller gebotenen Bescheidenheit meine ich, dass meine Forschungen und Überlegungen zum Thema Prostitution in meinem Buch „Der Strich“ einen gewissen
Ewigkeitswert'' haben . Meine historischen Forschungen zur Prostitution bei den alten Griechen und im europäischen Mittelalter bestätigen dies in gewisser Weise, so vor allem, was die Tricks der Frauen am Strich und ihre Kontakte zu den Gästen
betrifft. 4 Wie ich in der Einleitung zu meinem Buch „Der Strich“ berichtet habe, war ich nach einem Motorrollerunfall in ein Wiener Krankenhaus gebracht worden, wo ich einen freundlichen Herrn, der wegen eines Herzstiches in diesem weilte, näher
kennen gelernt habe. Er war ein Zuhälter am Beginn seiner Karriere, er wurde zu meinem Freund, nicht nur, weil er mir seinen Schutz gegenüber böswilligen Krankenschwestern angedeihen ließ. Ich widmete mich danach den Sozial- und Kulturwissenschaften. Während meines Studiums verdiente ich mein Geld unter anderem als Ausführer von Gemüse und als Komparse bei Filmen. Einmal übrigens filmte ich mit Omar Sharif und James Mason. Als ich 1971 mein Studium beendete, führte ich bei Bauern in Indien eine Feldforschung durch. Später widmete ich mich dann den Randkulturen in Wien und vor allem der Randkultur der Dirnen und Zuhälter. Dabei war mir unter anderem auch mein Freund von damals behilflich. Dafür sei ihm hier gedankt. Jeder von uns beiden machte seine Karriere. Ich landete an der Universität und er brachte es zu einem würdiger Besitzer einer Reihe von Bordellen. Vor einiger Zeit ist ihm sogar ein mehr oder weniger wohlwollender Artikel in der angesehenen Zeitschrift ``Öffentliche Sicherheit'', herausgegeben vom österreichischen Innenministerium, gewidmet worden. In diesem wird
er als der große Mann am Strich geschildert, dessen Geschäfte von einem "Statthalter'' geführt werden, und der über Ländereien verfügt. Er lebt nicht in Wien sondern mit seiner Gefährtin auf einem prachtvoll umgebauten Bauernhof irgendwo in der Prüvinz.
Vom feinen Zuhälter war mein früherer Bettnachbar also zum noblen vielfachen
Bordellbesitzer und Biobauern aufgestiegen, dem es schließlich gelang, den Wiener
Strich zu kontrollieren. Da ich nie über ihn geschimpft und auch seinen vollständigen Namen nie verwendet habe, genoss ich auch nach Erscheinen meines Buches "Der Strich'' weiterhin seine Freundschaft, die sich schließlich darin äußerte, dass er und sein Kollege Richard Steiner auf meine Bitte hin regelmäßig Freunde und auch Studenten und Studentinnen in eines ihrer Bordell einladen. Uns wurden die dem Liebesdienst gewidmeten Zimmer gezeigt und Sekt kredenzt. Meinen Studenten und Studentinnen wurde auch gestattet, Fragen zu stellen, um sich so ein Bild über diese Welt, die freilich ihre Härten hat, zu machen.
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Einmal sogar wollte ein angesehener Professor der Betriebswirtschaftslehre an der
Wiener Universität aus rein wissenschaftlicher Lust ergründen, wie so ein Zuhälter und
Bordellbesitzer seine ``Betriebe'' leite und dabei zu gutem Geld komme. Ich erzähle
meinem Freund von dem bemerkenswerten Wunsch des Herrn Professor. Ihm gefiel
dieser, und er lud uns ein, zu einem bestimmten Zeitpunkt, so um 21 Uhr, in
einem seiner Animierlokale, dem eine Peepshow angeschlossen war, zu
erscheinen. Er würde uns dort erwarten. Der Herr Professor kam in Begleitung
zweier Sekretärinnen und eines Assistenten, und ich erschien gemeinsam mit
meiner gütigen Frau. Mein Freund empfing uns mit großer Höflichkeit. Wir
wurden gebeten, Platz zu nehmen, und ließen uns gute Getränke servieren.
Zunächst verwies er uns auf die Peepshow.
Der Herr Professor, der so eine Einrichtung noch nicht kannte, erhielt von
meinem Freund einige Zehnschillingmünzen. Mit diesen verschwand er gemeinsam
mit seiner Sekretärin in einer Kabine, von der aus er gegen Einwurf des
Geldes die Nacktkünstlerinnen bewundern konnte. Schließlich führte uns der
Herr des Strichs noch in weitere Nachtlokale, eines dieser trägt den stolzen
Namen ``Senat''. Diese Bezeichnung hatte mein Freund ausgewählt, weil er für
das Leben der alten Römer schwärmt. In diesem ``Senat'' berät er sich ganz
im Stile würdiger römischer Patrizier mit seinen Geschäftsführern. Bis fünf Uhr
früh waren wir mit meinem Freund, dem Spezialisten im Errichten von
Bordells, unterwegs.
Der Professor war angetan von ihm, begeistert von diesem Abend und meinte,
unser Gönner wäre ein Kavalier.
Er ein paar Tage später bedankte er sich mit einem großen Blumenstrauß .
Ich habe also weiter Kontakte in diese Szene, immerhin schimpfte man nicht
über mein Buch "Der Strich'', das wieder aufgelegt wurde. Ein gebildeter
und geistig reger Zuhälter meinte sogar, es würde so ziemlich alles stimmen,
was ich geschrieben habe, vielleicht bis auf ein paar ``Kleinigkeiten``. Ein
größeres Lob gibt es wohl kaum für einen soziologischen und
kulturwissenschaftlichen Feldforscher.
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Seine Freundschaft zeigt mir mein Freund der Zuhälter immer wenn ich ihn brauche.
Einmal musste ich zu meiner Zahnärztin in Spital am Pyhrn. Diese Dame ist eine
großartige Ärztin, doch sie verträgt nicht, wenn man sich nicht an die Termine der
Zahnbehandlung hält. Einmal hatte sie mich für 9 Uhr am Vormittag bestellt. Sie meinte, wenn ich nicht pünktlich käme, wäre sie sehr verärgert. Da ich kein Auto besitze und an den Zug gebunden bin, wäre ich von Wien unmöglich rechtzeitig zu ihr gekommen. Ich rief daher meinen Freund an. Dieser holte mich darauf um 7 Uhr am Bahnhof in Linz mit seinem noblen Auto, einem zweisitzigen Jaguar, ab und führte mich nach Spital am Pyhrn. Dort bat ich ihn, er solle vor dem Haus der Zahnärztin kurz warten, damit auch die Zahnärztin sehe, in welch vornehmen Weise ich hier her gelangt bin. Die Dame schaute lächelnd auf das Auto und den Herrn daneben, er war in einem Maßanzug unterwegs.
7
Bei meinen Forschungen im Milieu der Dirnen war mir auch ein leider
inzwischen bei einem Unfall ums Leben gekommener Wiener Ganove behilflich.
Er hieß Pepi Taschner. Sein Leben habe ich in meinem Buch ``Der Adler und
die drei Punkte'' festgehalten. Mit diesem Buch wollte ich einen
einigermaßen spannenden Einblick in die Welt der Wiener Ganoven, aber auch
ansatzweise in die der Wiener Dirnen der sechziger und siebziger Jahre
geben. Das Buch hat einen weiten Leserkreis gefunden, und für die
Sozialarbeit, wie ich in einer speziellen Zeitschrift lesen konnte, wurde es
zu einer wichtigen Lektüre. Diesem Pepi Taschner sei hier gedankt und ehrenvoll
gedacht. Ich habe ihm jedenfalls einen ehrenden Nachruf in einer Wiener Tageszeitung geschrieben.
Durch Pepi Taschner habe ich auch eine Wiener Dirne kennen gelernt, deren Lebenslauf ich im Anhang meines Buches über ihn veröffentlicht und
interpretiert habe. Diese Frau arbeitet inzwischen nicht mehr am Strich, sie
lebt verarmt von einer kleinen Notstandsunterstützung. Arbeiten will sie
nicht, da sie große Alimentationsschulden wegen ihres bei Pflegeeltern
aufwachsenden Kindes hat. Denn würde sie eine Arbeit annehmen, so müßte sie
das Geld bis auf einen für ihre Lebensführung notwendigen Betrag für die
Pflege ihres Kindes abliefern. Die Dame, das ist das traurige Los nicht
weniger Prostituierter, ist also verarmt. Alle paar Monate ruft sie mich an
und erzählt mir von ihren finanziellen Problemen. Grundsätzlich helfe ich ihr mit etwas Geld aus.
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Einige Monate nach Erscheinen der ersten Auflage dieses Buches veranstaltete das
österreichische Fernsehen aufgrund meiner Studie einen Club 2, also eine Diskussionsveranstaltung, die angeblich die bisher höchste Einschaltquote erreicht hat, die je ein solcher Club 2 hatte. Anwesend waren bedeutsame Leute: die damals sehr berühmte Hamburger Hure Domenica, die mich während der Diskussion sogar einmal streichelte, ein intelligenter Zuhälter, eine Wiener Bardame, ein angeblicher Kunde, der jedoch bald von mir als Freund oder Zuhälter dieser Dame entlarvt worden war, ein entsetzter Theologiestudent und ich als Autor des Buches ``Der Strich''. Es ging ziemlich wild bei diesem Club 2 zu. Jedenfalls, eine bayrische Zeitung war angetan von diesem und brachte einen heiter besinnlichen Bericht, der mit diesen Worten begann: `Wie wird man(n) Zuhälter? Ex-`Strizzi' Peter Stolz betrieb im TV- Club 2 zum Reizthema `Leben am Strich' Berufsberatung auf wienerisch: `Scho meine
Mama is am Strich gangen. Sie war halt a aufgeschlossene Frau.' Eines Tages habe sie
ihn gefragt: `Gehst arbeitn, gehst stehln oder schickst aane am Strich.' Peter: `Was is
mir da scho übriggeblieben?' ''. Und weiter hieß es : ``Nachdem Ritter Roland (damit bin ich gemeint, d. Verf.) auch noch eine Lanze für das älteste Gewerbe der Welt
brach, drückte ihm Couch-Nachbarin Domenica, die ihm vorher die kalte
Schulter gezeigt hatte, dankbar die erfahrene Hand...''. Auch dieser Bericht liegt diesem Hirtenbrief bei.
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Und noch etwas möchte ich hier festhalten, das mit meinem Buch über den
Strich zusammenhängt. Im Jänner 1994 trat an mich eine freundliche Mitarbeiterin eines deutschen Fernsehsenders mit der Bitte heran, sie wolle mit mir einen Film über den Wiener Strich drehen. Ich solle die Hauptperson spielen. Wichtig wäre ihr
ein Zugang zur Prominenz des Striches, der ihr, wie auch sämtlichen
österreichischen Journalisten, unmöglich war. Ich rief darauf meinen Freund
an, und dieser erteilte seinen Mitarbeitern am Wiener Strich den Auftrag,
uns zuvorkommend aufzunehmen und uns die diversen Bars zu zeigen. Und
tatsächlich wurden wir, die Fernsehleute und ich, in der Bar "Senat'' mit
ausgesuchter Höflichkeit von gut aussehenden und teuer gekleideten Herren
empfangen. Es war ein schöner Abend, bei dem wir viel sahen und über den schließlich ein netter Fernsehfilm, der übertitelt war: "Der Hurenforscher von Wien'', von einem deutschen Fernsehsender ausgestrahlt wurde. Einige meiner Kollegen sollen entsetzt über mich gewesen sein.
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Mit einer kleinen heitere Geschichte möchte ich noch anfügen. Vor ein paar Jahren hatte ich eine Gastprofessur an der Katholischen Universität in Eichstätt in Bayern. Neugierig suchte ich im Computer der dortigen Universitätsbibliothek nach
meinem Buch "Der Strich''. Mich interessierte, ob dieses Buch hier
überhaupt angekauft worden war. Es war angekauft, jedoch der Sachbereich,
unter dem es eingeordnet worden war, war höchst merkwürdig. Mein Buch "Der
Strich'' befand sich an dieser Katholischen Lehranstalt zu meinem
ungläubigen Erstaunen nicht unter dem Begriff "Prostitution'',
"Sexualität'' oder "abweichendes Verhalten'', sondern unter dem Begriff
"Satzzeichen'' eingespeichert.
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In den letzten Jahren hat sich gerade am Wiener Strich, ähnlich wie in
Berlin und in anderen Städten, nach dem Öffnen der Grenzen im Jahre 1989
einiges getan. Darüber seien noch ein paar Bemerkungen angefügt,
Das Öffnen der Grenzen bewirkte einen Zustrom von jungen Mädchen aus
Tschechien, der Slowakei, Ungarn, Polen, Rußland, der Ukraine und anderen
Ostländern. Sie waren bereit, für weniger Geld als ihre österreichischen
Kolleginnen ihrem Geschäft nachzugehen, und wurden daher zum Problem
bezüglich der Preisgestaltung. Manche dieser Frauen richteten es sehr
geschickt so ein, daß sie von einem grenznahen Ort, wie Preßburg, bloß über
Nacht nach Wien fuhren, um sich als sogenannte Bardamen zu verdingen.
Österreichischen Bordellbesitzern kamen diese Aktivitäten sehr entgegen, da
die aus Preßburg oder Ödenburg angereisten Damen mit relativ wenig Geld für
Wiener Verhältnisse zufrieden waren. Aber für die Verhältnisse im Osten war
das in einer Nacht verdiente Honorar ungemein hoch, so hoch, daß damit eine
ganze Familie bequem zwei Wochen leben konnte.
Es hatte sich in den Ländern des Ostens herumgesprochen, daß Mädchen im
Westen auf leichte Weise zu gutem Geld kommen können. Sie kamen aus allen
Schichten, sogar Gymnasiastinnen aus Tschechien, ehemalige Klosterschülerinnen aus Polen und Studentinnen aus der Ukraine - mit solchen sprach ich - fanden Wege auf den Strich in Wien und in die Bars am Wiener Gürtel. Allerdings mögen diese Wege nicht immer im Sinne der Mädchen gewesen sein, die vielleicht gerechnet hatten, als
Fotomodelle oder Tänzerinnen in Wien eingestellt zu werden. Nach Polizeiberichten sollen Mädchen aus dem Osten von mafiosen Gruppen, in denen wohl auch Österreicher mitmischten, unter falschen Vorspiegelungen nach Wien gebracht worden sein.
So hieß es in einem Bericht in der vom Bundesministerium für Inneres herausgegebenen Zeitschrift "Öffentliche Sicherheit'': „Svetlana, ein 19jähriges Mädchen aus Lvov in der Ukraine, wurde im Dezember 1992 von einem Mann angeworben. Sie könne in Österreich als Tänzerin oder Fotomodell
arbeiten. Dafür würde sie rund 2000 US-Dollar monatlich bekommen. Mit dem Zug fuhr sie nach Sofia. Dort traf sie einen Bulgaren, der ihr einen gefälschten Reisepaß besorgte. Svetlana erklärte dem Mann, daß sie kein Geld habe. Das sei kein Problem, wurde ihr erklärt, die Reisekosten würde schon jemand für sie begleichen. Der Mann fuhr mit ihr nach Bukarest, von dort ging die Reise nach Bratislava. Am Bahnhof der slowakischen Hauptstadt wartete bereits `Binjo', ein in Österreich lebender Bulgare, der Svetlana mit dem Auto nach Wien brachte. In einer Wohnung im 16. Bezirk traf Svetlana auf zwei weitere Mädchen aus der Ukraine. `Binjo' teilte ihr mit, daß sie
als Animiermädchen in einer Bar am Gürtel arbeiten müsse. Als Svetlana
entrüstet ablehnte, erwiderte `Binjo' ihr, er habe sie `gekauft ', und sie
müsse wegen der ``Transportkosten'' mindestens drei Monate für ihn auf den
Strich gehen.
Svetlana und ihre Landsmänninnen wurden in einer Bar am Neubaugürtel
gebracht, wo sie im Separée mit Männern schlafen mußten. Den Verdienst
mußten sie zur Gänze an einen `Cherry' oder an einen `Sahib' abliefern, die
das Geld an `Binjo' weitergaben. `Binjo' und sein Kumpane, ein Türke mit dem
Spitznamen ``der Geier'', verhielten sich besonders brutal. Fast täglich
wurden die Ukrainerinnen grundlos geschlagen. Sie erhielten nur soviel Geld,
wie sie für den Kauf von Nahrungsmitteln benötigten.''
Kriminalbeamte der Fremdenpolizei kamen dem Mädchenhändlerring auf die Spur.
Die vier Männer wurden vorläufig festgenommen und die Mädchen mußten, nachdem sie ausgesagt hatten, Österreich wieder verlassen. Bei den Einvernahmen erfuhren die
Beamten von einer bulgarischen Verbrecherorganisation, mit der die vier
Wiener zusammengearbeitet haben. Mehrere hundert Mädchen sollen so nach
Österreich geschleppt worden sein. Kopf dieser Mädchenhändlerbande war ein
gewisser ``Boreza'' (der Ringer). Über diese Organisation kamen Mädchen aus
dem Osten nach Wien. Und ein anderer Mädchenhändlerring schleppte junge
Kroatinnen und Bosnierinnen nach Österreich. Die Öffnung der Grenzen brachte also den Strich in Wien auf eine sehr unangenehme Weise, die die Polizei bedauert, in Bewegung. Alte Strategien und alte Strukturen wurden in Frage gestellt. Zu früheren Zeiten bestand ein durchaus guter Kontakt zwischen Polizei und den Menschen am Strich, ein Kontakt, an dem beide Seiten interessiert waren.
Die Polizei war früher zufrieden, wenn die Zuhälter ihre Angelegenheiten und die
Platzfrage alleine und in Ruhe regelten und ab und zu Informationen aus der
Verbrecherszene weitergaben. Die Zuhälter waren zufrieden, wenn die Polizei
sich nicht einmischte. Die Situation ist jetzt jedoch eine andere geworden. In der Zusammensetzung der am Strich Agierenden hat sich einiges geändert. Mafiosi aus dem Süden und Osten Europas versuchen, auf den Strichen in Österreich und Deutschland Fuß zu fassen, und Mädchen aus den Ländern hinter dem ehemaligen Eisernen Vorhang landen auf der Suche nach dem Glück in den Separées und in den
Bordellen des Westen.
Unter den im April 2004 rund 580 beim Wiener Gesundheitsamt registrierten Dirnen
sind ungefähr 300 Ausländerinnen. Es ist eine Zunahme bei den Registrierten zu
verzeichnen. In den letzten Jahren wurden es immer weniger, die sich registrieren ließ. Von ungefähr tausend Damen vor einigen Jahren sank die Zahl auf 530 im Vorjahr. Interessant ist, dass Schwarzafrikanerinnen den Strich in Wien vermehrt bevölkern. Sie genießen aber insofern das Wohlgefallen der Polizei, als sie auch regelmäßig zur Gesundheitskontrolle erscheinen, also registriert sind. Ab Mai 2004 dürfte der Zuzug von Frauen aus der Slowakei und anderen neuen EU-Staaten erheblich zunehmen. Zu den Registrierten kommen noch bei 7000 Geheimprostituierte, die Dunkelziffer ist, wie ich bei der Wiener Kriminalpolizei erfahren konnte, sehr hoch. Zu diesen Geheimprostituierten gehören wohl auch viele der Animierdamen in den "Barbetrieben''. Sie sind schwerer zu kontrollieren als die offiziellen Prostituierten. Nicht wenige der Geheimprostituierten dürften Frauen sein, die Geld für den Drogenkonsum benötigen.
Die EU-Osterweiterung ab dem 1. Mai 2004 bringt die Rotlichtszene in Wien in
Bewegung, denn die tausende bis dahin illegal wirkenden Prostituierten aus den
neuen Beitrittsländern benötigen nun keine Aufenthaltsgenehmigung mehr.
Heimische Sicherheitsexperten befürchten, dass osteuropäische Zuhälterbanden nun
versuchen, in Österreich stärker Fuß zu fassen. Die Konkurrenz wird also härter.
12
Die Preise wurden leicht angehoben. Will ein Kunde als Besucher eines Nachtklubs
mit einer dort tätigen Dame seiner Wahl sich in einem Separée mit ihr vergnügen,
zahlt er (im Mai 2004) am Wiener Gürtel für gewöhnlich zwischen 150 und 200 Euro
für eine halbe Stunde. Von diesem Geld entfallen ca 70 Euro für das Lokal auf eine Flasche Sekt, dies ist das Minimum, das der Kunde zu konsumieren hat. Der Preis, den das Mädchen verlangt, wird ausgehandelt, ihm ist allerdings nach oben keine Grenze gesetzt. In manchen dieser Klubs gibt es auch „strenge Kammern“, in denen sich der Kunde einer „Spezialbehandlung“ unterziehen kann, für welche er allerdings mindestens 200 Euro zu zahlen hat. Billig ist der Strassenstrich. Besonders billig ist er dort, wo Mädchen, die von Drogen abhängig sind, zu schnellem Geld kommen wollen. Solche Mädchen stehen zum Beispiel auf der Wiener Mariahilferstraße ab dem Westbahnhof stadtauswärts. Sie verlangen zwischen 20 und 40 Euro.
13
Vor einiger Zeit bat mich ein früherer hoher Beamter der Wiener Polizei, ich solle ihm
und vor allem einer deutschen Soziologin aus D., die über Prostitution arbeite, einen
Kontakt zu Zuhältern und Dirnen verschaffen, denn sie selbst täte sich schwer , in diese Szene des Wiener Strichs zu gelangen. Sie wolle etwas darüber schreiben. Ich stellte diesen Kontakt her und erschien mit dem ehemaligen Polizeijuristen und der Soziologin Frau L. in dem oben schon erwähnten Nachtlokal von Herrn Richard. Wir wurden von den Leibwächtern Richards freundlichst empfangen und zu einer noblen gepolsterten Sitzecke geleitet. Eine schöne Rumänin servierte uns Sekt und Gebäck. Und schöne Damen zeigten uns tanzend ihre nackte Haut. Nach einer Zeit erschien Richard, er setzte sich zu uns und erzählte vom Leben auf dem Strich. Auch die im Moment leeren Separees, in die Dirnen mit ihren Kunden verschwinden, durften wir besichtigen. Die Kollegin aus Deutschland war erfreut, nun doch endlich etwas Näheres über das Leben am Strich in Wien erfahren zu haben. Kurz darauf reiste sie wieder nach Deutschland ab. Sie schrieb mir auch einen Dankesbrief. Einige Tage später erblickte ich ihr Bild in einer österreichischen Wochenzeitung. Im Text hieß es dazu, dass diese Dame nach monatelangen (!) Forschungen auf dem Wiener Strich zu weltbewegenden Erkenntnissen gekommen sei. Dass ich ihr zu diesen verholfen habe und dass sie nur ein paar Stunden am direkten Geschehen am Strich teilgenommen hat, das verschwieg sie freilich.
14
Übrigens; dieses Buch „Der Strich“ ist mein erstes und wahrscheinlich einziges
Buch, das in die chinesische Sprache übersetzt wurde. Diese chinesische Ausgabe, für
die ich zwar kein Honorar bekam , auf die ich aber stolz bin, verdanke ich einem edlen
Herrn, nämlich Herrn Dr. Ernst Schwarz, der als jüdischer Mitbürger 1938 aus Wien
nach China emigrieren musste. In China wurde er Professor für chinesische Philosophie. Lange Jahre nach dem Krieg kehrte er nach Wien zurück. Ich lernte ihn vor einiger Zeit kennen und wurde sein Freund. Dafür schätze ich mich glücklich. Er starb vor ein paar Jahren . An seinem Begräbnis in einem Waldviertler Dorf nördlich von Melk nahm ich mit emigrierten Chinesen, mit Bauern aus der Gegend und mit Freunden und Freundinnen von Ernst aus Wien teil. Auf sein Grab legten wir Steine und Erde. Dem Weltbürger Dr. Ernst Schwarz, der ein ähnlich weites Herz wie der oben zitierte Torberg hatte, sei hier ehrend gedacht.
Zwischen 2000 und 2010 pflegte ich mit Teilnehmerinnen und
Teilnehmern an meinem Seminar über "Randkulturen" regelmäßig auf
Einladung des mit mir befreundeten Besitzers Richard Steiner (ich darf
seinen Namen nennen), dessen Nachtlokal am Wiener Gürtel
aufzusuchen.
Das Lokal trug den schönen Namen "Lambada" (heute gibt es dieses
Lokal nicht mehr). In diesem tanzten kaum bekleidete oder auch
unbekleidete Damen vor den Gästen.
Manchmal verschwand einer der Gäste mit einem der Mädchen in
einem der Separees, die an den Barraum angrenzten.
Man bot uns angenehme Plätze an und lud uns zu Sekt, Bier oder auch
Apfelsaft ein. Zu später Stunde führte uns für gewöhnlich
Richard oder einer seiner Leibwächter bzw. Mitarbeiter durch das Lokal
und zu den Separees, die wir, wenn niemand in diesen sich aufhielt,
beäugen durften. Fragen soziologischer bzw. kulturanthropologischer
Natur wurden bereitwilligst von einem der Herren aber auch von einer
der Damen, die uns in der Bar bedienten, beantwortet. So interessierte
uns, aus welchen Ländern die Damen, die hier sich den männlichen
Gästen von ihren besten Seiten her präsentierten, kämen. Unter ihnen
gab es Damen aus Rumänien, Bulgarien, Polen, der Ukraine, Ungarn,
der Dominikanischen Republik usw.
Ich bat die Damen und Herren Studenten, im Nachhinein gute
Beobachtungsprotokolle zu verfassen - als Grundlage einer eventuellen
Seminarbeit.
Meist waren es zwischen 15 und 20 Studierende, die mich begleiteten.
Einmal waren es 17 Damen - und keine Herrm, die mit
mir unterwegs waren.
Eine dieser Studentinnen erzählte mir, ihre Schwester sei eine
Klosterschwester, die großes Interesse an einem Bericht von unserer
Exkursion zeige. Ich teilte der Studentin mit, sie solle beim nächsten Mal
ihre fromme Schwester mitnehmen. Später erzählte mir meine Studentin,
ihre Schwester wäre gerne mitgekommen, aber sie befürchtete, dass
ihre Schwester Oberin ihr große Vorwürfe alleine wegen der Idee, mich
in die sündige Bar zu begleiten zu wollen. machen würde.
Links: Studentengruppe vor dem Nachtlokal
Rechts: Leibwächter Peter mit dem Exkursiosnleiter
Richard Steiner, der Eigentümer der Bar, hatte nichts dagegen, in
meinem Seminar an der Universität aufzutreten. Ich stellte ihn den
Studierenden vor.
Nachher meinte er, er könne sich den Luxus erlauben , die Wahrheit zu
sagen. Vor allem die Damen im Seminar waren begeistert von Herrn
Richard, der damals den Strich am Wiener Gürtel dirigierte.
Als Herr Richard wegen diversen Fehden zwischen Zuhältern und
Bordellbesitzern im Wiener Strafgericht angeklagt war, wurde auch ich
vom Gericht vorgeladen. Ich erzählte dem Richter, dass Herr Richard
uns interessante Einblicke in eine spannende Randkultur gewährt
hat. Ich könne nichts Negatives über ihn sagen. Schließlich wurde
Richard frei gesprochen.
An einem heissen Sommertag saß ich nach einer seiner
Gerichtsverhandlungen mit Richard und seinen vier Leibwächtern im
Gastgarten des Cafe Landtmann. Mein Freund Wilhelm Hopf, der Chef
des LIT-Verlages, in dem einige meiner Bücher erschienen sind, war
auch dabei. Er hatte einige Exemplare meines damals erschienenes
Buch über das alte Institut für Soziologie und Max Weber bei sich. Er
schenkte jedem dieser Herrn je ein Exemplar. Dieses Foto zeigt die
Herren bei der Lektüre dieses Buches. Der Name des kleinen
Leibwächters (2.v.r.), der ob seiner Schnelligkeit und Schlagkraft
gefürchtet war - einigemal war er wegen Raufhandels bereits verurteilt -
ist Rocky. Der Name des großen Leibwächters, er ist über 2 Meter groß,
ist, wie oben schon erwähnt, Peter. Den Namen des tätowierten Herrn
mit den roten Haaren, soll ich auf seinen Wunsch hin, nicht erwähnen.
Richard Steiner ist der Herr ganz rechts. Der Herr mit Hut im Hintergrund
bin ich.
Einmal hatte meine Frau einige Goldstücke von einer Bank in der
Neubaugasse im 7. Wiener Bezirk in eine Bank in eine ca 2 Kilometer
entfernte Bank in der Mariahilferstraße zu bringen. Sie bat mich, Richard
Steiner zu fragen, ob er sie nicht bei diesem "Transport" aus
Sicherheitsgründen begleiten könne.
Ich sagte dies Richard und er freute sich, meiner Frau diesen Gefallen
tun zu dürfen. Gemeinsam spazierten die beiden - Richard trug das Gold
in einem Säckchen - zu der Bank. Stets achtete Richard dabei auf seine
Umgebung. Er meinte sogar, er habe ein paar verdächtige "Typen"
gesehen.
Jedenfalls kam das Gold gut bei der Bank an.
Auf diesem verschwommenen Bild ist meine Frau mit Richard - mit
diesem Auto war er vorgefahren - zu sehen. Sie umfasst eben seinen
rechten muskulösen Oberarm. (Es gibt noch bessere Bilder von diesem
"Goldtransport").
Übrigens verfasste Richard Steiner gemeinsam mit einem seiner
Freunde ein Buch über sein Leben, das sehr bunt ist - er war sogar eine
Zeit in der Fremdenlegion. In diesem Buch bin auch ich sehr freundlich
und lobend erwähnt. Ich bin geehrt.
Heute handelt Richard Steiner mit Wodka.
Einmal hatte meine Frau einige Goldstücke von einer Bank in der
Neubaugasse im 7. Wiener Bezirk in eine Bank in eine ca 2 Kilometer
entfernte Bank in der Mariahilferstraße zu bringen. Sie bat mich, Richard
Steiner zu fragen, ob er sie nicht bei diesem "Transport" aus
Sicherheitsgründen begleiten könne.
Ich sagte dies Richard und er freute sich, meiner Frau diesen Gefallen
tun zu dürfen. Gemeinsam spazierten die beiden - Richard trug das Gold
in einem Säckchen - zu der Bank. Stets achtete Richard dabei auf seine
Umgebung. Er meinte sogar, er habe ein paar verdächtige "Typen"
gesehen. Jedenfalls kam das Gold gut bei der Bank an.
Übrigens verfasste Richard Steiner gemeinsam mit einem seiner
Freunde ein Buch über sein Leben, das sehr bunt ist - er war sogar eine
Zeit in der Fremdenlegion. In diesem Buch bin auch ich sehr freundlich
und lobend erwähnt. Ich bin geehrt.
Heute handelt Richard Steiner mit Wodka.
Gedanken zum Übersetzer meines Buches „Der Strich – Soziologie eines Milieus“ in
das Chinesische. - nebst Wiedergabe einiger Seiten des Buches auf Chinesisch
und eines poesievollen Briefes von Ernst an mich (die folgenden Zeilen habe ich im
September 2019 geschrieben – nach einer Radtour ):
https://drive.google.com/file/d/1ZWJWg3wkCTbQj3DX8E1X5EigeNBr3twf/view