Im heutigen Hirtenbrief mache ich Sie mit zwei typischen Wiener “Strizzis”, bzw. Wiener Püchern bekannt. Das Wort Pücher leitet sich vom Wort “Pilger” ab, womit vor allem die Jakobspilger gemeint waren, die in früheren Zeiten einen denkbar schlechten Ruf genossen haben, denn unter sie mischten sich Diebe, Betrüger und Prostituierte, also Leute aus Randkulturen (heute dürfte dies anders sein). Der eine der beiden ist der Bordellbesitzer Hansl Synek, der sogar meine Vorlesungen besucht hat, und der andere Kurtl Girk, der mit bekannten Wiener “Unterweltlern”aufwuchs und der es zu einem beliebten Heurigensänger brachte. Das Leben dieser beiden gibt einen spannenden Einblick in eine alte Wiener Gaunerkultur.
Hoffe, Ihnen gefallen meine Ausführungen.
Alles Gute
Roland Girtler
Wiener Unterweltler und Bordellbesitzer in Spital am Pyhrn - ein Nachruf
Der “Frank Sinatra” von Ottakring und Freund von Pepi Taschner (siehe Hirtenbrief 10) - er sang zur Erinnerung an Onkel Hubert
Wie ich an anderer Stelle schon erwähnt habe, gibt es auch unter Ganoven. Heurigensängern und anderen Leuten so etwas wie Ehre. Ehre hatte auch der Heurigensänger Girk Kurtl. Girk Kurtl, der - wie er sagte - “auf Luft” (unschuldig) im Gefängnis saß und dort heimlich einen “Heurigen” aufmachte, kannte die klassische Wiener Unterwelt und wuchs mit dieser auf. Kennen gelernt habe ich ihn durch Pepi Taschner. Er stammte aus Ottakring, geboren wurde er 1932 - gestorben ist er 2019. Er wuchs auf der Straße auf, war Schneiderlehrling und Alteisenhändler. Schließlich betätigte er sich als Wienerliedsänger. Dabei erlangte er einige Berühmtheit, die ihm den Ehrennamen “Frank Sinatra von Ottakring” einbrachte. Befreundet war er mit Alois Schmutzer, dem man wegen eines angeblichen Raubes, er bestritt diesen stets, einige Jahr hinter Gitter brachte. Auch Kurtl Girk erging es ähnlich. Er beteuerte stets seine Unschuld.
Kurtl Girk singt beim Heurigen zur Erinnerung an meinen Onkel Hubert
Ich schätzte Kurt Girk sehr und mir gefielen seine Lieder, Er war ein liebenswürdiger Herr. Als er einmal wegen einer für mich undurchsichtigen Sache bei Gericht angeklagt war, fragte er mich, ob ich ihm einen Rechtsanwalt verschaffen könne. Ich bat meinen Onkel, der ein guter Anwalt und ein guter Jurist war, Dr. Hubert Schmiedt war sein Name, ob er Kurtl Girk verteidigen könne, Er tat dies auch. Girk Kurt wurde frei gesprochen, er zahlte allerdings kein Honorar. Mein Onkel, ein herzensguter Mensch, verlangte auch keines. Mein Onkel war ein sympathischer Herr, den ich ob seines weiten Wissens sehr mochte und mit dem ich herrliche Wanderungen im Raxgebiet, auf den Ötscher, den Dürrenstein, den Traunstein usw. durchführte. Er war mir ein lieber Bergkamerad. Ihm sei in Ehren hier gedacht.
Als mein Onkel Hubert vor einigen Jahren starb, kam ich auf die Idee, eine Erinnerungsfeier für meinen Onkel mit Kurtl Girk bei einem Heurigen durchzuführen. Ich meinte zu Kurtl Girk, er möge doch, weil mein Onkel ihn gratis verteidigt hatte, aus Dankbarkeit dafür bzw. als spätes Honorar ihm zu Ehren einen Nachmittag beim Heurigen “Der Herrgott aus Sta” in Ottakring mit seinen Wiener Liedern gestalten. Kurtl Girk war sofort dafür, schließlich empfand er Dankbarkeit für meinen Onkel. Ich Iud einige Freunde, meine Studentinnen und Studenten zu dem besagten Heurigen ein. Für Wein und Essen kam ich auf. Dies war mir mein Onkel wert. Auch nahm teil Frau Prof. Helga Leu von der Universitätsturnanstalt. Sie war begeistert von der Idee. Zur ausgemachten Stunde erschien Girk Kurtl beim Heurigen und ebenso mein Freund Professor Reinhard Fahrengruber, ein großer Spezialist auf dem Gebiet der historischen Eisenverhüttung, Sänger und Freund der Volksmusik. Ihn hatte ich auch eingeladen, damit er diese Veranstaltung zu Ehren meines verstorbenen Onkels elektronisch aufnehme. Er hat dies auch wunderbar getan. Ein Ausschnitt der Lieder von Girk Kurt wollen wir demnächst zu einer CD verarbeiten. Denke, dies ist eine gute Sache. Mein Onkel wird uns aus dem Jenseits zulächeln. Die Studierenden jedenfalls waren begeistert. Kurtl auch. Der Gesang von Kurtl und der Wein erfreute alle. Diese Feier fand im Frühsommer 2002 statt. Wir saßen im Garten und fühlten uns wohl.
Ich gebe nun aus meinem Buch über Pepi Taschner “Der Adler und die drei Punkte” die entsprechende Passage hier wieder , die sich auf Kurtl Girk und seinen Aufenthalt im Gefängnis Karlau in Graz, in dem sie beide gemeinsam eingesperrt waren, beziehen: