In meinem Buch "Echte Bauern - Der Zauber einer alten Kultur" (Wien 2002, Böhlau) versuche ich zu zeigen, dass in den letzten Jahrzehnten eine alte Bauernkultur verschwunden ist.
Ganz Europa und vielleicht auch die ganze Welt befinden sich in einem geschichtlich höchst bemerkenswerte Wandel. Ich behaupte, seit der Jungsteinzeit , als der Mensch sesshaft und zum Bauern wurde , hat sich nicht soviel geändert wie nach dem letzten Krieg und vor allem in den fünfziger und sechziger Jahren , als bei uns die alte bäuerliche Kultur allmählich zu Ende ging.
Eine alte bäuerliche Kultur ist verschwunden , oder sie ist dabei zu verschwinden. Echte Bauern gibt es bei uns nicht mehr. Die heutige Bauern wurden zu Spezialisten und Managern, die in einer Welt der sogenannten Globalisierung überleben müssen. Dies brachte Vorteile, aber auch Nachteile.
Es geht um den Preis der Produkte, also um das Geld. Dadurch ergeben sich die vielfältigsten Probleme, unter denen vor allem die Tiere zu leiden haben. Die Bauern haben ihre Selbständigkeit verloren und wurden von Verbänden und Förderungen abhängig, damit sie überhaupt existieren können. In meinen Büchern „Aschenlauge“ und „Sommergetreide“ habe ich über die vergangene bäuerliche Kultur mit all ihren Härten aber auch Schönheiten eingehend berichtet.
Es ist zunächst bemerkenswert, dass das Wort Kultur selbst bäuerlichen Ursprungs ist. Denn im Wort Kultur steckt das lateinische Wort „colere„, das so viel heißt wie den Boden bebauen, also aus der Natur etwas zu machen. Und der Bauer selbst ist der „agricola“. Der Bauer schuf also aus der Natur das, was man gemeiniglich als Kultur zu bezeichnen pflegt: er rodete, pflügte, baute Häuser, er sorgte für die Nahrung der Menschen und er war grundsätzlich der eigene Herr über seinen Grund und Boden. Zwar wurde der Bauer durch die Jahrhunderte unterdrückt und ausgebeutet, es gelang ihm jedoch, wieder frei zu werden, wie ich im nächsten Kapitel andeuten werde. Zu Kultur gehört demnach alles, was der Mensch schafft, also nicht nur seine Geräte, um etwas herzustellen und sich zu schützen, sondern auch seine Symbole, wie Sprache , Kunst und allerhand Zeichen. So verbindet sich mit der alten bäuerlichen Kultur ein bunter Schatz alter Wörter, Weisheiten und Rituale.
Ich habe altes echtes Bauerntum mit all seiner Buntheit, Härte, Arbeit und Disziplin, wie ich in den vorigen Kapiteln gezeigt habe, in den vierziger und fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts noch selbst erfahren. Ich wuchs in dem kleinen Bergbauerndorf Spital am Pyhrn am Rande der Ennstaler Alpen und des Toten Gebirges auf. Gleich neben dem Arzthaus, nur getrennt durch einen von meiner Mutter wohl gepflegten Garten, befand sich die Schmiede des Dorfes, in dem die Rösser der Bauern mit Hufeisen beschlagen wurden. Das Hämmern aus der Schmiede riss mich fast täglich aus meinem Bubenschlaf. Ein echter Bauer war auch der Schmied, der mit seiner Frau trefflich wirtschaftete.
Der zur Schmiede gehörende Bauernhof bestand aus einem großen Stall, in dem bei 10 Kühe Platz fanden, und an den sich ein großer Heuboden anschloss, in dem wir als Kinder gerne spielten und in dem auch die Hühner ihre Eier legten. Wir kannten die versteckten Stellen im Heu, in denen die Eier zu finden waren. Ein herrlicher Geruch von Heu durchzog den Stadl. Hinter diesem war der Misthaufen, auf dem Hühner samt Hahn stolzierten. Manchmal durften auch die Schweine aus dem Stall heraus und sich im Dreck wälzen. Gleich hinter dem Misthaufen befand sich der Bauerngarten der Schmiede an, in dem die Bäuerin darauf achtete, dass Blumen und Gemüse wuchsen und gedeihten. Im Bauernhaus der Schmiede, das durch die Dorfstraße von Schmiede und Stall getrennt war, lebte die Familie. Das Haus selbst war von einem Baumgarten umgeben, in dem allerlei Obstbäume sich gegen den Himmel streckten.
Als Bub stand ich gerne bei der Schmiede und schaute dem Schmied bei der Arbeit zu. Auch half ich hier und da im Stall und achtete auf das Vieh, das täglich auf die Dorfweide getrieben wurde. Einmal fordert mich die alte Bäuerin, die Mutter des Schmiedes, auf, das in einem Fass befindliche geschnittene Kraut zu treten. Barfuß stieg ich in das halbvolle Fass und drückte mit meinen Füssen das Kraut fester, um mehr Platz für das weitere Kraut zu schaffen. Für diese Arbeit erhielt ich als Belohnung drei Eier, die ich dann stolz meiner Mutter überreichte. Diese alte Bauernkultur, die ich als Kind erlebte, ging allmählich unter. Zunächst verstummten die Hämmer in der Schmiede am Beginn der sechziger Jahre des vorigen Jahrhundertes, als immer weniger Rösser zur Schmiede gebracht wurden. Und bald musste ich auf die mir lieb gewordenen Töne aus der Schmiede überhaupt verzichten. Damit zeichnete sich, so sehe ich es heute, symbolisch das Untergehen der alten Kultur der echten Bauern ab. Heute ist die Schmiede als Museum eingerichtet, der Stall ist leer, der Misthaufen mit den freundlichen Hühnern fehlt und Ruhe ist in das Bauernhaus eingekehrt.
Nun zur zweiten Geschichte.
In den siebziger Jahren verbrachte ich einige Sommer für jeweils zwei Wochen am Hof eines Waldviertler echten Bauern. Mir gefiel dieser Bauernhof mit seinen fünf oder sechs Kühen, einigen Schweinen, einem echten Misthaufen, auf dem noch Hühner frei und stolz nach Futter suchten, und den Feldern, die zu diesem Hof gehörten und auf denen Getreide wuchs. Und außerdem war da noch ein schöner Bauerngarten mit allem möglichen Gemüse und Kräutern. Der Bauer war ein noch unverheirateter junger Mann, der nach dem Tode seines Vaters, des Altbauern, mit seiner lebhaften, fleißigen und überaus mutigen Mutter die bäuerliche Wirtschaft führte: Mir machte es Freude, ihnen bei der Arbeit, die bisweilen eine harte war, als eine Art Knecht, zu helfen. Ich stand genauso früh auf wie die beiden, half bei der Getreideernte und machte so Sachen, die gerade anfielen, wie zum Beispiel das Errichten und Betonieren eines Kartoffelkellers.
Diese Arbeit an einem heißen Augusttag hatte es in sich. Ich schwitzte, trank Unmengen irgendwelcher Säfte und zum Schluss Bier, langte bei der bäuerlichen Jause ordentlich zu und fiel am Abend todmüde in das bäuerliche Bett , das man mir bereitet hatte. Einmal sogar begleitete ich den Bauern, als er mit dem Schwein zu einem Nachbarbauern, der im Stall einen Schweineeber laufen hatte, fuhr, um das Schwein von diesem decken zu lassen. Ich erinnere mich, es war nicht so einfach, den freundlich grunzenden Eber dazu zu bewegen, dem Schwein seine Liebeskraft zuzuwenden. Gottseidank tat er dies dann doch zur Zufriedenheit des Bauern und offensichtlich auch zu der des Schweines. So etwas wie künstliche Befruchtung durch einen Tierarzt gab es damals noch nicht in dem Maße wie heute.
Ich erlebte also noch die Reste einer alten echten bäuerlichen Kultur, die noch eine war, obwohl zum Hof bereits ein Traktor und andere Maschinen anstelle der Dienstboten gehörten. Echte Bauern waren die beiden hier genannten insofern, als sie von dem was der Hof hergab, leben konnten. Sie waren noch keine Spezialisten, das heißt sie waren noch nicht bloß auf ein Produkt, wie Getreide, Milch oder Mästvieh konzentriert. Mit dem Getreide und dem sporadischen Verkauf einer Kuh verdienten sie auch etwas Geld. Als ich das letzte Mal auf diesem Hof arbeitete, erzählte mir der Bauer, man habe ihm, vielleicht ein Bauernverband oder gewisse Geschäftemacher, geraten, das Vieh aufzugeben und an seiner Stelle eine Hühnerzucht zu beginnen. Für die Hühner gebe es bereits Abnehmer. Dann würde er endlich einmal gut verdienen. Geld würde also in das Haus kommen.
Und tatsächlich räumte der Bauer einen Stall, in dem er für die Hühner Stellagen oder eben Batterien einrichtete. Bald kamen die Hühner. Bei einem Kurzbesuch ein paar Monate später auf dem Hof blickte ich in dieses Hühnergefängnis. Es stank fürchterlich. Eng flatterten die Hühner nebeneinander und gackerten nervös. Die Fütterung geschah automatisch. Der Anblick dieser Hühner, die in eine Maschinerie geraten waren, war erbärmlich. Ich konnte mir dieses jammernde Gegacker nicht mehr ansehen und verließ schweigend diese Stätte des Elends. Auch der Bauer schwieg und schloss die Tür. Ich merkte ihm an, dass er mit dem allen nicht glücklich war. Der Kontakt zu dem Bauern schwand. Ich hörte nur, die alte Bäuerin sei gestorben und ihr Sohn, der Bauer, habe geheiratet.
Nach zwanzig Jahren radelte ich mit dem Fahrrad in diese Gegend und schaute bei dem Hof vorbei. Stille war eingekehrt. Ich rief nach dem Bauern, nach einer Zeit trat er aus dem Haus. Er freute sich, mich wieder zu sehen. Er erzählte mir, seine Frau habe das Weite gesucht und er habe die bäuerliche Wirtschaft überhaupt aufgegeben. Eine Wiener Familie mit Kindern würde den Hof kaufen, um ihn zu einem Feriendomizil zu machen. Die Felder und Wiesen habe er verpachtet. Auch andere Bauern hätten zugesperrt, einige würden Milchkühe halten, andere Schweine mästen. Es gab auch einige, die dazu übergegangen sind, Pferde einzustellen, die sie an Städter vermieteten. Die Welt der Bauern hatte sich also geändert. Die echten Bauern sind verschwunden, nicht nur in Österreich, sondern auch in anderen Teilen Europas. Diese Tatsache bewog mich, ein Buch über „echten Bauern“ zu verfassen. Bestärkt zu diesem hat mich ein Herr aus dem österreichischen Ministerium für Land- und Forstwirtschaft. Sein Name ist Ignaz Knöbl, er meinte, es wäre höchste Zeit, über die echte alte Bauernkultur in ihrer ganzen Buntheit zu schreiben. Diese Kultur gab es bei uns in Österreich und Deutschland bis in die sechziger und siebziger Jahre, dann verschwand sie allmählich.
Im Osten Europas und vor allem in Siebenbürgen in Rumänien, hielt sie sich noch etwas länger. Als die EU ihre Fänge nach diesen Gegenden auszustrecken begann, begann auch dort das alte Bauerntum, das unserem früheren im Wesentlichen gleicht, unterzugehen.
Um dieses echte Bauerntum beschreiben zu können, sprach ich mit früheren echten Bauern bei uns und forschte bei den Bauern Siebenbürgens. Bestärkt wurde ich in der Idee zu diesem Buch, als ich an einer Podiumsdiskussion in Bad Aussee im Sommer 2001 unter anderem gemeinsam mit dem Agrarkommissar der EU und einem berühmten Bergsteiger teilnahm. Bei dieser Diskussion ging es unter anderem um die Probleme der modernen Landwirtschaft. Der Herr Agrarkommissar begriff die heutigen Bauern als Spezialisten und Manager, die bloß dazu da sind, bestimmte Produkte herzustellen und auf einem großen Markt zu vertreiben. Ich erwiderte dem Herrn aus Brüssel, dass diese Art des Wirtschaftens nicht nur den echten Bauern ruiniert habe , sondern auch zum Nachteil des Tieres, das lebendig manchmal bis zu tausenden Kilometer durch Europa geführt wird, sei. Das Leid der Tiere berühre die Verantwortlichen nicht, denn es gehe um den Profit, meinte ich. Der Bergsteiger meinte seinerseits kühn, er sei ein echter Bauer in Südtirol, da er auf seinen Wiesen irgendwelche tibetanischen Rinder züchte und deren Produkte verkaufe. Er sehe sich daher sogar als Nachfolger des sogenannten Ötzi, also des Mannes, dessen mumifizierte Leiche man am Similaungletscher gefunden hatte. Ich gestattete mir einzuwerfen, dass der gute Ötzi, der in der Jungsteinzeit, als der Mensch zum Bauern wurde, gelebt hat, nicht nur Vieh züchtete, sondern auch ein Getreidebauer gewesen sei, dies könne man aus Pollen, die man an seiner Kleidung fand, schließen. Dieser Ötzi war ein echter autarker Bauer, der Vieh und Getreide besaß, im Gegensatz zu unserem Bergsteiger, der sich auf Viehzucht spezialisiert hat. Seit der Jungsteinzeit gibt es also den echten Bauern, wie eben unseren Ötzi. Und in den letzten Jahrzehnten ist er bei uns verschwunden.
Der frühere echte Bauer, der ein hartes Leben zu führen hatte, hatte seine Würde, er war autark, aber auch frei. Heute erinnerte man sich oft mit Melancholie der alten echten und freien Bauern. Ich habe ihnen und dem Untergang ihrer Kultur mein Buch „Sommergetreide“ gewidmet. Ich kannte die echten Bauern von meiner Kindheit im oberösterreichischen Gebirge her. Irgendwie schmerzt es mich, dass es sie nicht mehr gibt auf ihren Höfen.
Zu meiner Überraschung habe ich echte Bauern jedoch noch bei den Altösterreichern in Siebenbürgen entdeckt. Die alte Bauernkultur war eine harte Kultur, in der Menschen viel zu arbeiten, mitunter auch zu leiden hatten, aber dennoch hatte diese alte Kultur ihren Zauber. Ich will also in meinem Buch, die mächtigen Agrarherren in Brüssel, die ohne Gefühl das Töten und Verbrennen tausender Runder befehlen, zu zeigen, wie echtes bäuerliches Leben tatsächlich aussieht. Aber auch all jene freundlichen Leserinnen und Lesern sollen darüber Bescheid erfahren, denen bäuerliche Kultur eine Herzenssache ist.
Ich befinde mich hierin wohl in Gegensatz zu den mächtigen Herrn an den Schaltstellen der europäischen Wirtschaft, die autarke Bauern nicht mehr wollen, die vorschreiben, wer und wo was erzeugen darf.
In diesem Buch nun geht es mir darum, auf meine anderen Bücher aufbauend, zu zeigen, wie ein echtes Bauernleben eigentlich aussieht und was den Bauern überhaupt zum Bauern macht.
Wohl ist auch für den echten Bauern der Markt wichtig, aber er ist nicht bloß auf den Markt orientiert, im Gegensatz zu den modernen Bauern, die eigentlich bäuerliche Spezialisten und Manager sind. Auch die sogenannten Biobauern sind keine Bauern im echten Sinn. Auch sie sind Spezialisten, die sich jedoch bemühen, einigermaßen „natürlich“, also ohne viel Chemie und freundlich gegenüber Hühnern und anderem Vieh, zu wirtschaften. Mit echtem Bauern haben sie aber nicht viel zu tun.
Und wenn im Titel vom „Zauber einer alten Kultur“ gesprochen wird, so will damit gesagt sein, dass die alte bäuerliche Welt ihre besondere Faszination hat und dass sie, auch wenn in dieser die Menschen hart zu arbeiten und es nicht immer leicht hatten, auch voll der Schönheiten und der Wunder war.
Für mich war diese bäuerliche Welt, die auch eine Welt der Härte und Bescheidenheit war, voll der Geheimnisse und des Zaubers. Zum Zauber gehören Buntheit des Lebens und die sorgsame Auseinandersetzung mit der Natur, wie dem Acker, dem Wald und dem Tier. Und tatsächlich erscheint es als ein göttlicher Zauber, wenn aus dem vom Menschen bearbeiteten Boden Pflanzen, Blumen und Getreide für das Brot wachsen. Die alten Bäuerinnen und Bauern waren voll der Dankbarkeit, wenn Getreide und Tiere in Übereinstimmung mit der Landschaft heranwuchsen.
Ich gehe von der Überlegung aus, dass bäuerliches Leben sich weltweit ähnelt, dass bestimme Charakteristika für dieses bestimmend sind, wie das Prinzip Arbeit und eine große Disziplin, die sich unter anderem in einer Kontrolle über bäuerliche Kinder und Jugendliche äußert.
Im Anschluss an meine Schilderungen und Überlegungen kommt Herr Hans Gradwohl zu Wort. Herr Gradwohl ist ein wohlbekannter Vollwertbäcker, er gründete in Wien einige Bäckereien, in denen auch ich mein Dinkelbrot oder meine Topfengolatschen aus Vollkorn einkaufe. Ich habe diesen kühnen Herrn, der zu einem wahren Kämpfer gegen die Chemisierung des Brotes wurde, an der Universität kennen gelernt, wo er sich den Kulturwissenschaften widmet. Er begleitete mich während einer meiner Forschungen bei den Bauern in Siebenbürgen. Dort beschäftigte er sich mit dem Brotbacken und unterstützte trefflich den Dorfbäcker bei seiner Arbeit.
Ich bin meinem Geschick dankbar, mit diesem liebenswürdigen Herrn in Kontakt gekommen zu sein. Und ich freue mich über seinen Beitrag.
Die vergangene bäuerliche Kultur übt auf mich seit meiner Kindheit eine große Faszination aus.
Es mag sein, dass die Faszination in den letzten Jahrzehnten in mir wuchs, als ich sehen musste, dass die Bauern meiner Kindheit allmählich in den fünfziger und sechziger Jahren des 20.Jahrhunderts von ihrer alten, autarken Wirtschaftsform abgingen und zu Spezialisten oder Managern wurden, oder sie gaben es überhaupt auf, weiterhin sich als Bauern zu betätigen.
Durch die Jahre hindurch kam ich immer wieder mit bäuerlichem Leben in Berührung, so bei meiner Forschung 1969 bei einer bäuerlichen Großfamilie in Kroatien und dann später bei meinen Forschungen in Indien 1972 und 1973, als ich mich in Bauerndörfern Gujarats aufhielt. Und schließlich erarbeitete ich in meinen Büchern „Aschenlauge“ und „Sommergetreide“ das echte bäuerliche Leben, wie es in Österreich bis in die sechziger Jahre existierte.
Der Untergang der alten bäuerlichen Kultur wird heute bisweilen als schmerzlich empfunden.
Dass das bäuerliche Leben faszinierend war und seinen Zauber hatte, zeigt sich wohl auch darin, dass man in Fremdenverkehrsprospekten und bei diversen Brauchtumsveranstaltungen sich der alten Bauern oft auch heiter erinnert.
Mir jedenfalls bedeutete das alte bäuerliche Leben viel, waren doch Bauern die Patienten meiner Eltern und die Bauernburschen meine Freunde. Meine Eltern waren brave Bauernärzte. Viel Geld hatten sie nicht, denn sie wurden von den Bauern zumeist in Naturalien bezahlt. So hatten wir daheim stets guten Speck, Fleisch, Brot und jede Menge Schnaps. Damals in der Nachkriegszeit gab es noch echte Bauern, Bauern, die eigentlich so ziemlich alles, was sie so brauchten zum Leben, selbst herstellten. Der klassische Bauernhof mit seinen Knechten und Mägden war eine eigene kleine Welt, in der hart gearbeitet wurde und die Menschen es nicht immer leicht hatten.
Die früheren Bauern und Bäuerinnen, wie ich sie noch kennen gelernt habe , waren Menschen, die sich nicht so leicht irgendwelchen Zwängen unterordneten, die mit den Unbilden der Natur sich auseinandersetzten und die schließlich ihre besondere Würde hatten. Diese Würde zeigte sich darin, dass Bauer und Bäuerin von einer gewissen stolzen Selbständigkeit waren und sich nicht scheuten, anzupacken, dort, wo es notwendig war.
Ich danke all jenen, die mir bei meinem Forschen behilflich waren. Zu ihnen gehören
Erna und Erwin Degelsegger und Elmar Baumschlager aus Spital am Pyhrn, die mir jeweils bei einer guten Jause über vergangenes Leben erzählt haben. Zu danken ist auch Frau Anneliese Pitter, eine brave Bäuerin aus Großpold bei Hermannstadt, in deren und ihres Gatten Bauernhaus ich seit Jahren immer wieder im Frühsommer bei meinen Forschungen leben darf. Ich begleitete sie auf das Feld, und in den Garten, und sah ihr beim Kochen zu. Brieflich und in Gesprächen erfuhr ich Vieles von ihr, das diesem Buch förderlich war. Selbstverständlich sei auch ihrem Mann Andreas gedankt, der mir ein Fahrrad borgte, das er für mich reparierte und mit dem ich in die umliegenden Hirtengemeinden fuhr. Mir imponierte an ihm, wie er mit seinen beiden Kühen umging, die er täglich selbst mit den Händen molk. Ebenso danken möchte ich Herrn Arthur Drottlef, einem Lehrer in Großpold, der sich redlich bemüht, als kleiner autarker Bauer ohne künstliche Spritz- und Düngemittel seinen Acker zu bestellen. Mit ihm und seinen Kindern verbrachte ich beim Hüten seiner Ziegen schöne Stunden.
Ein großes Kapitel des Buches ist dem Bauerngarten gewidmet (siehe Kap. 7b) ,ein anderes der für bäuerliches Leben wichtigen Nachbarschaft. Absicht des Buches ist allerdings nicht bloß ein Berichten über echtes bäuerliches Leben, sondern es soll den heutigen Menschen einer globalisierten Welt zeigen, wie echte Bauern tatsächlich leben. Vielleicht lernen moderne Bauern als Viehzüchter, Milchlieferanten, Getreidemanager und Biobauern einiges aus diesem Buch für sich.
Bauern hatten immer hart zu kämpfen, gegen die Natur und später gegen Machthaber, die sie zu unterdrücken versuchten. Sie waren daher auch stets so etwas wie Rebellen, denn sie kämpften seit Jahrhunderten für ihre Freiheiten. Dies taten die mexikanischen Bauernrebellen unter ihrem Führer Aemilano Zapata in den Jahren nach 1900.
Und die oberösterreichischen rebellischen Bauern mit dem kühnen Stefan Fadinger an der Spitze fochten im 17. Jahrhunderts gegen die Ausbeutung und Demütigung durch aristokratische Grundherrn und für die Freiheit, die Religion selbst zu bestimmen.
Die Bauern wollten frei sein, aber es gelang ihnen nicht. Ihre Aufstände wurden blutig niedergeschlagen. Die Skelette von jungen Bauernkriegern fand man vor ein paar Jahren beim Bau des Kraftwerkes bei Lambach. Sie fielen im Oktober 1626 gegen die an Zahlen weit überlegenen Soldaten des Grafen Herbersdorf. Die Bauern nannten sich Landler, nach dem Gebiet um Eferding das Landl, in dem der Bauernkrieg 1625 den Ausgang nahm. Sie müssen tapfer gekämpft haben, denn in einem Bericht des Panzergenerals Pappenheim, der die Bauern endlich niederzwang, hieß es bewundernd: „Sie wichen nicht Schritt für Schritt zurück, sondern Fuß für Fuß.“
Man hat die Bauern in Österreich furchtbar behandelt und sie gezwungen, katholisch zu werden. Doch viele weigerten sich als Rebellen, dies zu werden, und blieben standhaft protestantisch. Diese wurden unter der wenig gütigen Maria Theresia um 1750 nach Siebenbürgen verbannt. Nachfahren dieser Landler, der oberösterreichischen Rebellen, leben heute noch in Siebenbürgen als echte Bauern. Leider zieht ihre Jugend heute in den glitzernden Westen, so dass die Landler immer weniger werden.
Ein Grund auch, um der arroganten Adelsgesellschaft den Kampf anzusagen, war , dass den Bauern es untersagt war, zu jagen. Die Jagd war eine Sache der Aristokratie, Dies ließen sich Bauernburschen nicht gefallen. Sie wurden zu Wildschützen, die im Gebirge bei den kleine Leuten besonders verehrt wurden, da sie dem aristokratischen Jagdherrn das Wild und vor allem die Gams wegschossen. Die Wildschütze als Repräsentanten einer echten bäuerlichen Kultur genießen heute noch höchstens Ansehen. Sie waren die Helden der kleinen Leute. Sogar ein eigenes Wilderermuseum in dem bäuerlichen Dorf St. Pankraz bei Windischgarsten in Oberösterreich hat man zu ihrer Erinnerung errichtet. Also auch die Wilderer verweisen auf ein echtes Bauerntum.
Erst im Jahre 1848 wurde nach einem Antrag des jüngsten Abgeordneten des Reichstages Hans Kudlich der Bauer frei, er wurde nun Herr über Grund und Boden und erhielt das Jagdrecht.
Während es früher Aristokraten waren, die den Bauern in die Abhängigkeit zwangen und von ihnen lebten, sind es heute große wirtschaftliche Verbände und politische Mächte, die den Bauern zu dirigieren versuchen, ihn aber auch knechten. Durch Jahrhunderte hatte der Bauer gekämpft für seine Rechte als freier Bauer. Es geht ihm zwar gut heute, aber er ist unfrei geworden, abhängig von politisch starken Verbänden, ähnlich wie seine Vorfahren vor der Bauernbefreiung.
Der Bauer ist unter Druck geraten. Er musste sich neuen Gegebenheiten anpassen
Er wurde zum Agrarspezialisten oder Fleischproduzenten, für den das Tier zum bloßen Gegenstand des Geschäftes wurde. Nur selten lehnen sich Bauern gegen Vorschreibungen zum Beispiel durch die EU auf.
Das rebellenhafte Feuer ist den Bauern großteils heute verloren gegangen. Nur hie und da flackert es heute auf, so vor einigen Jahren, als viele Bauern mit ihren Traktoren nach Wien ratterten, um dort auf der Ringstraße bis hin zum Bundeskanzleramt um gewisse Rechte zu demonstrieren.
Günther Nenning, der große österreichische kritische Journalist schreibt in einem Artikel „Bauer wehr dich !“ Es geht um altes bäuerliches Lebens, das es aber nicht mehr gibt. Der Bauer hat sich damit abgefunden und wurde zum Computer - Manager. Das Tier muss nach den eingegeben Daten,maschinell gefüttert, gemolken usw. werden. Die Milchkühe werden ausgebeutet, nach 5 Jahren werden sie zur Schlachtung oft über hundert Kilometer geschickt. Eine traurige Entwicklung, die mich zum Vegetarier machte.
Echte Bauern, wie ich sie verstehe, gibt es also in Österreich, Deutschland und den anderen Ländern des globalisierten Europas heute nicht mehr. Echte Bauern überstanden so ziemlich alle Krisen, sogar den Dreißigjährigen Krieg und den letzten Weltkrieg. Durch sie konnten Menschen in den Notzeiten, die sich für gewöhnlich an Kriege anschließen, überleben. Käme es heute zu einer Krise, zum Beispiel einer des Transportes, so wäre dies für alle schlecht.
Die erwähnten Landler als echte Bauern in Siebenbürgen, dem herrlichen Land im rumänischen Karpatenbogen, haben die Krisenzeiten des Kommunismus und die danach unbeschadet überstanden. Nicht überstanden haben sie jedoch die sogenannte Modernisierung und Globalisierung. Im Netz der Globalisierung kann und darf es den Bauern im alten Sinn nicht mehr geben.
Durch diese Vernetzung ist der Bauer krisenanfällig geworden, kommt es zu Problemen zum Beispiel hinsichtlich einer Tierkrankheit, so sind weite Teile der sogenannten Bauernschaft betroffen, wie es die sogenannte BSE-Krise zeigte, als Tiere tonnenweise verbrannt wurden. Der Mensch hat sich am Tier versündigt. Das Tier musste verbrannt werden, damit der Preis für das Fleisch nicht verfällt. Die Massentierhaltung ist ein Symbol dieser Entwicklung. Der echte Bauer hat aufgehört zu existieren. Er ist den Mächtigen im Vereinten Europa, der EU, lästig geworden.